
Kindliche Entwicklung Behütet, selbstbewusst, ängstlich: Parallelen bei Eltern-Kind-Beziehung zwischen Mensch und Schimpanse
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13. Mai 2025, 15:32 Uhr
Bei der Beziehung zwischen Schimpansen-Müttern und ihren Kindern gibt es Parallelen zu ihren menschlichen Verwandten, zeigt ein Forschungsteam unter Beteiligung des Leipziger MPI EVA. Und einen deutlichen Unterschied.
Ein Herz und eine Seele oder doch mit Distanz: Bei der Beziehung von Baby-Schimpansen zu ihren Müttern gibt es Ähnlichkeiten zu menschlichen Mutter-Kind-Beziehungen. Das beschreibt ein Forschungsteam unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (MPI EVA) in Leipzig im Fachblatt Nature Human Behaviour. Bei Mutter-Kind-Beziehungen werde zwischen sicheren, unsicheren und desorganisierten – also deutlich gestörten – Bindungen unterschieden. Letztere kommen den Beobachtungen der Forschenden zufolge bei in freier Wildbahn lebenden Schimpansen gar nicht vor, sondern nur bei Schimpansen in Gefangenschaft oder beim Menschen selbst, wo desorganisierte Bindungen bei Kindern fast ein Viertel ausmachen.
Das Team geht davon aus, dass eine gestörte Eltern-Kind-Beziehung für das Überleben nicht hilfreich ist. Diese könne zwar auch bei wildlebenden Schimpansen auftreten, ein Überleben oder gar Fortpflanzung der Menschenaffen sei hingegen unwahrscheinlich. Bei Menschen komme es zu gestörten Bindungen, wenn ein Kind durch seine Bezugsperson fortwährend Angst, Aggression oder ein prägendes Trauma erlebt. Oft seien Misshandlung oder Vernachlässigung eine Grundlage. Zu den möglichen lebenslangen Folgen gehören Schwierigkeiten bei der emotionalen Regulierung und dem Sozialleben sowie psychische Probleme.
Erste Lebensjahre prägend für Eltern-Kind-Beziehung
Die ersten Lebenserfahrungen prägen die Entwicklung des Bindungstyps. Erlebt ein Kind seine Bezugspersonen als verlässlich, einfühlsam und stabil auf seine Signale eingehend, entwickelt es in der Regel eine sichere Bindung. Das sei unter anderem eine Grundlage für spätere Beziehungen und lasse den Nachwuchs angstfrei die Welt erkunden. Bei einer unsicher-vermeidenden Bindung wirken Kinder – ebenso wie Schimpansen-Junge – unabhängig, sind aber innerlich gestresst. Bei der Trennung von ihrer Mutter zeigen sie wenig Emotionen, auch nicht bei deren Wiederkehr. Trost bei der Mutter zu suchen, wird vielfach gar nicht erst versucht.
Im Rahmen ihrer Forschungsarbeit hat das Team 3.800 Stunden Beobachtungsdaten von fünfzig wild in einem Nationalpark in der Elfenbeinküste lebenden Schimpansen-Müttern und ihrem Nachwuchs ausgewertet. Die Forschenden räumen ein, dass die beobachtete Fallzahl möglicherweise zu klein ist, um die Vielfalt von Bindungen bei Schimpansen-Jungen vollständig zu erfassen. Sie regen jedoch an, zu reflektieren, ob sich möglicherweise einige menschliche Institutionen oder Betreuungspraktiken von dem entfernt haben, was für die Entwicklung von Kleinkindern am besten sei.
dpa, flo
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 05. Mai 2025 | 06:45 Uhr