Fleischspieße auf einem Grill 5 min
Bildrechte: IMAGO/Zoonar
5 min

Weniger Gewicht, mehr Energie – die Befürworter der "karnivoren Diät" versprechen viele gesundheitliche Vorteile, allein durch den Konsum von möglichst unverarbeitetem Fleisch. Was ist dran an den Versprechen?

MDR KULTUR - Das Radio Mi 30.04.2025 16:39Uhr 04:36 min

https://www.mdr.de/wissen/audio-fleisch-essen-karnivore-ernaherung-studien-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Abnehmen mit Fleisch Karnivore Diät: Was passiert mit unserem Körper, wenn wir rein tierisch essen?

02. Mai 2025, 16:59 Uhr

Weniger Gewicht, mehr Energie – die Befürworter der "karnivoren Diät" versprechen viele gesundheitliche Vorteile, allein durch den Konsum von möglichst unverarbeitetem Fleisch. Was ist dran an den Versprechen und welche gesundheitlichen Folgen sind mit einer rein tierischen Ernährung verbunden?

Junge Frau schaut frontal in die Kamera.
Bildrechte: MDR

Rund zwölf Prozent der Menschen in Deutschland ernähren sich laut Forsa-Umfrage vegan oder vegetarisch – Tendenz steigend. Aber es gibt eine Gegenbewegung: Die Vertreter der "Karnivoren Diät" schwören darauf, fast ausschließlich Eier, Fleisch, Fisch und Milchprodukte zu essen. Die Diät wird häufig als Abnehm-Methode oder zur Verbesserung der allgemeinen Fitness und Gesundheit empfohlen. Diverse Influencer filmen sich auf Tiktok und Instagram beim genüsslichen Verzehr eines Blocks Butter zwischen den Mahlzeiten und berichten von sensationellen gesundheitlichen Verbesserungen. Dabei geht es auch darum, Lebensmittel zu essen, die möglichst unverarbeitet sind.

Für Klimabilanz und Tierwohl ist die karnivore Diät extrem schädlich

Wer Wert auf Tierwohl legt oder an Klima- und Umweltfolgen der eigenen Ernährung interessiert ist, sollte auf eine solche Ernährung verzichten. Immerhin sind tierische Produkte in der Ernährung mit einem hohen CO2-Impact verbunden. Würde der durchschnittliche Europäer auf Fleisch verzichten, könnte er ein Viertel seiner jährlichen CO2-Emissionen vermeiden. Aber wie sieht es aus, wenn wir diese Faktoren einmal kurz außen vorlassen. Wie verändert sich der Körper, wenn wir ausschließlich tierische Produkte essen?  

"Ich würde es grundsätzlich nicht empfehlen – man muss aber dazu sagen, dass es auf diesem Gebiet insgesamt wenige Studien gibt und deshalb auch wenige Studien, die sich explizit dagegen äußern", sagt Tobias Fischer. Er ist Professor für angewandte Ernährungswissenschaften an der FH Münster. Es gibt zwar viele Studien, die belegen, dass die klassische Ernährungsweise westlicher Industrienationen mit einem hohen Anteil tierischer Produkte schädlich ist, aber Fischer findet: Man kann die beiden Ernährungsweisen nicht gut miteinander vergleichen. Immerhin sind bei der karnivoren Ernährung Zucker und hochverarbeitete Lebensmittel meist nicht enthalten. Er selbst würde sich dennoch nicht karnivor ernähren, sagt Tobias Fischer. Die Eliminierung ganzer Lebensmittelgruppen erscheine ihm schlicht und einfach nicht sinnvoll. "Es gibt immer ein neues Extrem, gerade im Bereich der Ernährungsformen".

Die Harvard-Studie: Beleg für Vorteile der karnivoren Ernährung?

Dennoch gibt es zwei Studien, die von den Befürwortern einer karnivoren Diät immer wieder zitiert werden. Die 2011 erschienene sogenannte "Harvard-Studie" wird häufig ins Feld geführt, um die Vorteile der tierischen Ernährung wissenschaftlich zu untermauern. Die Studie wurde mit 2.029 Menschen durchgeführt, die sich mindestens sechs Monate lang karnivor ernährt hatten. Sie kommt zu dem Ergebnis: Den Menschen geht es gut. Sie berichteten selten von negativen Effekten auf die Gesundheit und sehr häufig von einer hohen Zufriedenheit und Verbesserung der allgemeinen Gesundheit.

Allerdings hat die Studie einen Haken: Sie setzt ausschließlich auf Selbstberichte von Menschen, die über soziale Medien rekrutiert wurden. "Natürlich wird niemand, der sich karnivor ernährt, sagen: das ist das schlimmste, was man tun kann und ich hatte nur Nebenwirkungen", betont Ernährungswissenschaftler Tobias Fischer. Es sei davon auszugehen, dass die Menschen, denen es mit einer rein tierischen Ernährung schlechter ginge, bereits mit dieser Art der Ernährung aufgehört haben und deshalb nicht Teil der Studie waren. Zudem beleuchtet die Studie ausschließlich den Ist-Zustand. Welche Folgen die rein tierische Ernährung in zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren haben könnte, ist aktuell schlicht nicht absehbar.

Zusammenhang zwischen hohem Cholesterin und Arteriosklerose wird in Frage gestellt

Aktuell wird noch eine weitere Studie von Fans der karnivoren Ernährung zitiert, die den Zusammenhang zwischen ketogenen Diäten, also Diäten mit einem sehr niedrigen Kohlehydratanteil und Herz- Kreislauferkrankungen untersucht hat. Allgemein ging man davon aus, dass eine ketogene Diät mit erhöhten LDL-Cholesterinwerten verbunden ist. Weil LDL-Cholesterin im Verdacht steht, das Risiko für Herz- Kreislauferkrankungen zu steigern, wird es mitunter auch als "schlechtes Cholesterin" bezeichnet. Gerade bei Menschen, die viel tierische Produkte konsumieren, ist das LDL-Cholesterin meist erhöht.

Die aktuelle Studie legt nun nahe, dass LDL-Cholesterin bei stoffwechselgesunden, dünnen, jungen Menschen nicht immer mit Plaque und Arteriosklerose in Zusammenhang stehen könnte, wie es Studien mit älteren und vorbelasteten Menschen gezeigt haben. Für ihn sei die Studie ein interessanter Hinweis, aber "man sollte das auch nicht zu hoch aufhängen", findet Tobias Fischer. Immerhin wurde die Studie lediglich über ein Jahr durchgeführt und ausschließlich an stoffwechselgesunden Menschen. Und eine Studie allein ist nie ausreichend, so der Forscher. "Zudem beschäftigt sich die Studie mit ketogenen Ernährungsformen, die auch pflanzliche Lebensmittel enthalten und nicht direkt mit der karnivoren Ernährung."

Studien zu sehr speziellen Ernährungsformen sind komplex

Dass die karnivore Ernährung gesundheitlich unbedenklich ist und das Risiko für Arteriosklerose nicht erhöht, lässt sich aus den beiden Studien demnach kaum ableiten, aber: Es gibt eben auch keine Studie, die belegt, dass eine rein tierische Ernährung, so wie sie im Rahmen der karnivoren Diät durchgeführt wird, zwangsweise schädlich ist. Dass es so wenig aussagekräftige Studien auf diesem Gebiet gibt, liegt auch daran, dass Ernährungsstudien bestenfalls sehr langfristig durchgeführt werden müssten. "Viele Erkrankungen entstehen eben über eine lange Zeit hinweg", gibt Fischer zu bedenken. Gerade bei alternativen Ernährungsformen wie der karnivoren Diät komme häufig hinzu, dass die Menschen es gar nicht so lange praktizieren.

Steak auf einem Brettchen
Rotes Fleisch kann im Zusammenhang mit Krebs stehen. Bildrechte: IMAGO/Zoonar

Abgesehen davon gibt es aber natürlich viele Studien, die beweisen, dass einige Bestandteile der tierischen Ernährung problematisch sind. Gut belegt ist beispielsweise der Zusammenhang zwischen rotem Fleisch und einem gesteigerten Krebsrisiko. Auch das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall ist bei Menschen, die mehr rotes Fleisch (also Schwein, Rind, Schaf und Wild) essen erhöht.

Ballaststoffe schützen vor Verstopfungen

Dass Ballaststoffe, die in pflanzlicher Nahrung enthalten sind, gesund für uns sich, gilt auch als vergleichsweise gut belegt. Eine direkte Nebenwirkung, die im Zuge der karnivoren Ernährung auftreten kann, sind Verstopfungen. Immerhin wird mit der Diät der Anteil der Ballaststoffe in der Ernährung drastisch reduziert. "Ballaststoffe sind ja besonders für die sogenannte Transitzeit, also dass man gut auf die Toilette kann, verantwortlich", erklärt Fischer. Lässt man sie weg, kann das zu Verstopfungen führen – aber längst nicht alle Menschen sind davon zwangsweise betroffen.

Abnehmen durch die karnivore Diät ist durchaus möglich

Ein Argument, dass die Verfechter der karnivoren Ernährung immer wieder ins Spiel bringen ist, dass man damit abnehmen kann. Das sei auch tatsächlich möglich, erklärt Tobias Fischer. Zum einen steht Menschen, die sich rein tierisch ernähren, nicht überall das gleiche Angebot an Snacks zur Verfügung wie Menschen, die sich gemischt ernähren – dadurch seien die "Versuchungen des Alltags" entsprechend geringer und die aufgenommene Kalorienmenge reduziere sich. Zum anderen erfolge häufig eine sehr gezielte Auseinandersetzung und Beobachtung des Essverhaltens.

Ein anderer Grund, warum Menschen mit dieser sehr kohlehydratarmen Ernährungsweise gerade anfangs viel Gewicht verlieren, ist ein metabolischer Effekt. Kohlehydrate werden im Körper in Form von Glykogen gespeichert. Glykogen bindet dabei auch größere Mengen Wasser im Körper. Nimmt man nun weniger Kohlehydrate zu sich, wird auch das gebundene Wasser wieder frei und ausgepinkelt. Die Zahl auf der Waage senkt sich dadurch – was wiederum nicht bedeutet, dass sich der Körperfettanteil entsprechend reduziert hat.

Allerdings muss an dieser Stelle hinzugefügt werden: Welche gesundheitlichen Risiken konkret für die Gewichtsabnahme in Kauf genommen würden, lässt sich eben noch nicht gut abschätzen. Im Netz schildern mittlerweile viele ehemals Karnivore, dass sie aufgrund extremer gesundheitlicher Folgen mit der Diät aufgehört haben.

Menschen sind keine Raubtiere

Dass die karnivore Ernährung dem entspricht, was unsere steinzeitlichen Vorfahren gegessen haben, ist übrigens ein weit verbreiteter Mythos. "Wenn man aus der Arktis kommt, dann stimmt das", sagt Ernährungswissenschaftler Tobias Fischer. Für alle anderen Regionen gelte das aber nicht, denn "unsere Vorfahren waren relativ simpel in dem, was sie gegessen haben". Sie aßen, was verfügbar war. Mittlerweile wisse man durch Studien recht genau, dass die Menschen damals vorzugsweise Pflanzen gegessen hätten, so lange diese verfügbar waren und erst, wenn diese nicht mehr zur Verfügung standen, auf die Jagd auswichen – einfach weil das für sie mit einem größeren gesundheitlichen Risiko verbunden war. Menschen sind eben keine Raubtiere.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 01. Mai 2025 | 14:20 Uhr

46 Kommentare

Euphemismus Gestern

wieviel Beeren enthalten wohl die gesamt Kalorien Menge eines Bären?
und wielange muss man Beeren sammeln bis man einen Bär findet der sein Fell eintauscht

weils so nicht unwidersprochen bleiben darf vor 4 Tagen

Regel 1: Iss, was Dir schmeckt!
Regel 2: Es gehört zu den Grundregeln guten Benehmens, anderen ihr Essen nicht durch dumme (oder "kluge") Sprüche mies zu machen.
Regel 3.; Wer sich an Regel 1 nicht hält, ist ein Trottel.
Regel 4: Wer sich an Regel 2 nicht hält, ist ein Flegel. Und muss künftig alleine essen!
Regel 5.: Wer glaubt, seine eigenen Vorlieben anderen vorschreiben zu dürfen, wird zumindest von mir nie wieder eingeladen! Und wenn er das gar durch "Gesetze" oder "Verordnungen" tun will, dann wird er (hoffentlich zumindest!) abgewählt. Wies ja den wenigstens Grünen gottseidank grade passiert ist.

MDR-Team vor 5 Tagen

Hallo lieber Part,
Insekten in Lebensmitteln müssen laut EU-Verordnung auch gekennzeichnet werden: https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Insekten-in-Lebensmitteln-Wie-gesund-sind-Wuermer-und-Kaefer,insektenfood100.html
Oder was meinen Sie konkret mit versteckt?
Liebe Grüße aus der MDR-Wissen-Redaktion

Weitere Artikel

Wissen

Eine Gabel mit zwei aufgespießten Fleischstücken vor schwarzem Hintergerund. Text: Dürfen wir Tiere essen? 12 min
Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk
Grillwürstchen beim Fleischer 3 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Schweinestall 3 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK