Russlands Präsident Wladimir Putin im Video-Gespräch mit Generalstabschef Waleri Gerassimow
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Kommentar Russland und die Ukraine: Politisches PR-Theater

14. Mai 2025, 10:28 Uhr

Ob mit einem Treffen zwischen Putin und Selenskyj oder ohne: Die Gespräche in Istanbul wären der erste direkte Austausch zwischen russischen und ukrainischen Delegationen seit drei Jahren. Trotzdem ändert das nichts Wesentliches, kommentiert unser ukrainischer Ostblogger Denis Trubetskoy.

Porträt Denis Trubetskoy
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Rund um den russisch-ukrainischen Krieg passiert in letzter Zeit so viel, dass es beinahe unmöglich ist, den Überblick nicht zu verlieren. So war der neue Bundeskanzler Friedrich Merz erst am Samstag mit drei anderen europäischen Staats- und Regierungschefs in Kiew. Der Besuch wurde nicht zu Unrecht als historisch bezeichnet. Gefühlt ist diese Reise, auf der Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Polen sich voll hinter den ukrainischen Vorschlag zu einer bedingungslosen 30-tägigen Waffenruhe stellten, jedoch schon ewig her. Denn diese Woche wird alle Aufmerksamkeit bereits auf den Donnerstag gerichtet. Am 15. Mai könnten Verhandlungsdelegationen der Ukraine und Russlands in der Türkei zum ersten Mal seit April 2022 direkt aufeinandertreffen. Präsident Wolodymyr Selenskyj reist auch an – und fordert Wladimir Putin zu einem persönlichen Gespräch auf. Dass dieser persönlich erscheint, ist nahezu ausgeschlossen. Sollte Putin wider Erwarten doch kommen, könnte aber auch US-Präsident Donald Trump anreisen.

Die Ukraine will den Waffenstillstand, Russland nicht


Nicht nur in der Ukraine fragen sich dagegen viele, ob ein Waffenstillstand eventuell doch näher denn je ist. Die Realität ist leider: Es ist vor allem viel Lärm um nichts. Es handelt sich um nicht viel mehr als politisches PR-Theater für einen einzigen Zuschauer – Donald Trump. Denn trotz unzähliger Gesprächsrunden und Diskussionen hat sich die strategische Ausgangslage im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht verändert. Sie lässt sich simpel zusammenfassen: Die Ukraine ist längst zu einer bedingungslosen Waffenruhe bereit. Und das nicht erst, seit Trump ein öffentliches Bekenntnis dazu erzwungen hat, was sowieso kaum ein kluger Verhandlungsschritt ist. Spätestens seit Sommer 2024 war selbst aus der öffentlichen Rhetorik Kiews herauszuhören, dass man eine Waffenruhe nicht ablehnen würde, sollte ein ernsthaftes Angebot auf dem Tisch liegen. Moskau dagegen hat kein Interesse daran, dass die Waffen schweigen, will aber gerne weiterhin Donald Trump in die Gespräche einbinden, um Verhandlungsbereitschaft zu simulieren.

Der russische Präsident Wladimir Putin. 4 min
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Verwunderlich ist das nicht. Aus Putins Sicht wäre es sicher gut, von Trump noch mehr zu bekommen als er ohnehin schon bekommen hat. Und das, ohne dafür etwas getan zu haben, von zwei kurzen Waffenstillstandsimitationen zu Ostern und rund um den 9. Mai abgesehen – letztere wohl vor allem deswegen, um die eigene Militärparade in Moskau vor ukrainischen Angriffen abzusichern.

Putin sieht sich im Vorteil

Der Kremlherrscher, der sich im Abnutzungskrieg gegen die Ukraine langfristig weiterhin im Vorteil sieht, kann aber auch sehr gut mit einem Szenario leben, in dem sich die USA aus der Problematik des russisch-ukrainischen Krieges ganz verabschieden. Es scheint ohnehin nicht sehr wahrscheinlich, dass die Ukraine noch weitere Waffen aus Amerika bekommen wird, wenn die noch im Kongress unter Joe Biden bewilligten Hilfspakete auslaufen. Mit einem Ausbau der militärischen Unterstützung Kiews wird aus Washington nicht mal mehr ansatzweise gedroht. Es wird lediglich über neue Sanktionen gesprochen. Diese wären für Russland zwar nicht schön, aber in Kauf zu nehmen.

Russlands Floskeln

Nichts auf der Welt ist bei dieser Ausgangslage weniger überraschend, als dass der Kreml auf jedes neue Angebot mit einem klassischen "Ja, aber" reagiert. Wenn man sich im Detail die Aussagen der russischen Offiziellen bis hin zu Wladimir Putin anhört, ist dort darüber hinaus immer die gleiche Floskel zu hören: "Beseitigung der Erstursachen des Ukraine-Konflikts". Diese verdient mehr Aufmerksamkeit, als sie bekommt. Denn streng genommen ist die "Erstursache Ukraine-Konflikts" die Existenz der Ukraine als unabhängiger Staat. Daher rückt der Kreml nicht mal um einen Zentimeter von seinen harten Vorbedingungen ab, zu denen etwa unrealistische Gebietsansprüche oder die sogenannte "Entmilitarisierung" der Ukraine, also die radikale Verringerung ihrer Verteidigungsfähigkeit, gehören.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann ( Vertreterin der FDP-Mitglieder in der Liberalen Fraktion des Europäischen Parlaments ) am Wahlabend im Hans-Dietrich-Gescher-Haus in Berlin. 5 min
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Russland wird Kiew mit seinen Panzern in absehbarer Zeit nicht erreichen, das weiß man auch in Moskau. Doch wenn es schon einen Waffenstillstand gibt, soll die Ukraine nach diesem maximal geschwächt sein. Für den Moment ist es also fast unausweichlich, dass die heiße Phase des Krieges noch eine Weile andauern wird. Dass Russland freiwillig auf die kommende Sommeroffensive an der Front verzichtet, ist nahezu undenkbar. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich die Sache bis zum Herbst doch bewegt, sollten der russischen Armee zu große Verluste zugefügt werden. Schließlich konnten die von vielen totgeschriebenen ukrainischen Truppen den Vormarsch der Russen etwa in der Region Donezk ab Februar 2025 deutlich verlangsamen, wenn auch nicht stoppen. Dafür bräuchte Kiew die bestmögliche Unterstützung – nicht nur, aber vor allem von den USA.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 13. Mai 2025 | 13:02 Uhr

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