
Kyffhäuserkreis Bienenstockluft zur Entspannung: Wie eine Hofimkerei Leben in ein kleines Dorf bringt
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16. Mai 2025, 16:12 Uhr
In Braunsroda im Kyffhäuserkreis sollen Bienen für Entspannung und sogar für Abhilfe bei Heuschnupfen oder Asthma sorgen. Wie funktioniert das genau?
- Ein spezielles Anwendungsgerät transportiert die Luft aus dem Bienenstock
- Kunden kommen wegen Heuschnupfen, Asthma oder einfach zur Entspannung
- Als medizinische Anwendung gilt das Angebot bisher nicht
Am Rande vom Landschaftsschutzgebiet Hohe Schrecke leben im kleinen Braunsroda zwar nur 89 Menschen - doch in ihrer Mitte bringen Zehntausende Bienen viel Leben in den kleinen Ort. Im Backsteingebäude an der Wendeschleife, dem Herzen des Dorfes, betreibt die Familie Scharf ihre Imkerei: Mutter Annett ist selbst Imkerin, ihre Töchter Susanne und Johanna unterstützen den Betrieb in jeder freien Minute.
Das Café öffnet an den Wochenenden, der Shop bietet verschiedene Bienenerzeugnisse wie Seifen, das antibakteriell wirkende Propolis oder klassischen Blütenhonig. Schon historisch ist das Gebäude ein wichtiger Treffpunkt für die Dorfbewohner: Erst war es Schule, zu DDR-Zeiten Konsum - und auch heute treffen sich Jung und Alt hier zum Basteln, Seniorennachmittag oder einfach zum Schwatz.
Im Innenhof hinter dem Café wartet aber noch ein weiteres exotisches Angebot: Hier summt und brummt es - und Betreiberin Susanne Scharf läuft in dem kleinen Holzanbau der "Bienenhütte" auf und ab. Eine ganze Reihe Bienenstöcke stehen hier für die Anwendung der Bienenstockluft bereit.
Bienenstockluft einatmen soll entspannen und Allergikern helfen
Für die nächste Sitzung hebt Susanne Scharf vorsichtig den Deckel von einem der Stöcke ab, stülpt ein trichterförmiges Gerät über die Öffnung und befestigt daran Schlauch und Atemmaske.
Das sei die "Vereinsmaske", scherzt Susanne Scharf, denn alle Kundinnen und Kunden bekommen bei ihrer ersten Sitzung das gleiche persönliche Set an Maske und Schlauch. Das zugehörige Gerät, das die Bienenstockluft während der Anwendung durch den Schlauch in die Maske bläst, hat ein Imker aus dem Erzgebirge entwickelt: Ähnlich einem Inhalationsgerät hält ein Gummiband sie über Nase und Mund der Anwender - das sind beispielsweise Menschen, die unter Heuschnupfen oder Asthma leiden - "um besser atmen zu können, um leichter abhusten zu können, oder weil sie Probleme mit der Stimme haben".
Jeder hat sein persönliches Set. Das ist unsere Vereinsmaske!
Die Luft im Bienenstock soll bei diesen Beschwerden helfen - denn sie enthält ätherische Öle, Pollen und Propolis - eine harzähnliche Substanz, die Bienen als Schutz gegen Krankheitserreger und Eindringlinge im Bienenstock verwenden. Zusammen mit dem leisen Summen aus den Bienenstöcken kann allein dieser außergewöhnliche Geruch beruhigend wirken, erklärt Scharf: "Wir haben auch Leute, die machen das Wellness-bedingt. Das ist ja eine Anwendung, die auch gut für die Seele ist."
Anwendung von Bienenstockluft: Unklare Datenlage
Bei Atemwegserkrankungen schwören manche Heilpraktiker auf eine wohltuende Wirkung von Luft aus Bienenstöcken, auch Imker bieten mitunter solche Sitzungen an. Wissenschaftlich belegt sind Wirksamkeit und Risiken von Bienenstockluft aber nicht. Eine Untersuchung der Technischen Universität Dresden hat entzündungshemmende und antibiotische Eigenschaften festgestellt. Wie BR24 berichtet, sind laut dem Studienleiter aber noch weitere Untersuchungen zur Wirksamkeit nötig.
Rund um das Thema gab es bereits viel Diskussion: 2015 bekam etwa eine Heilpraktikerin aus Jena ein Anwendungsverbot ausgesprochen - 2016 wurde es allerdings wieder aufgehoben. Regionale Behörden wie die Landesärztekammer Thüringen und das Thüringer Landesverwaltungsamt wollten sich aktuell gegenüber MDR THÜRINGEN nicht zum Thema äußern. Auch dem Universitätsklinikum Jena fehlt es für eine verbindliche Aussage an Erfahrungen oder Kenntnissen, wie Dr. Jörg Tittelbach, stellvertretender Direktor der Klinik für Hautkrankheiten, auf Anfrage mitteilte.
Dranbleiben lohnt sich
Ob zur Heilung oder zur Entspannung: Eine halbe Stunde dauert eine Sitzung, in der man auch dem monotonen Summen der Flügelschläge lauscht - 15 Minuten pro Volk, zwischendurch wird also einmal umgestellt. "Das hat einfach den Grund, dass die Bienen in ihrem Stock ein bestimmtes Milieu haben und wir einen Teil davon entnehmen", erklärt Scharf. "Und dann brauchen die wieder eine Zeit, um sich zu regenerieren."
Wir haben auch Leute, die machen das Wellness-bedingt. Das ist ja eine Anwendung, die auch gut für die Seele ist.
Wer sich für das Angebot entscheidet, um etwa Allergie-Beschwerden zu lindern, sollte laut Scharf mindestens sechsmal kommen: "Das ist wie mit einer Physiotherapie oder einem Sportkurs - man muss dann dranbleiben, wenn man wirklich Erfolge erzielen will", empfiehlt sie.
Kundin erlebt Linderung bei Heuschnupfen
Stammkundin Anke kommt an diesem Mainachmittag das erste Mal in der aktuellen Saison - doch nach den Erfolgen der vergangenen zwei Jahre setzt sie große Hoffnung in die Linderung beim Heuschnupfen: "Ich habe die Klassiker - Haselnuss, Birke und Erle. Und das ist deutlich besser geworden, seit ich hier bin.
Das ist was ganz Besonderes - man hat das Gefühl, man atmet etwas ganz Reines, Schönes ein.
"Deswegen fange ich das jetzt auch wieder an", erzählt sie. Seit der ersten Anwendung ist sie begeistert: "Das ist was ganz Besonderes - man hat das Gefühl, man atmet etwas ganz Reines, Schönes ein", findet sie.
Laut Scharf geht es auch anderen Kunden so: "Wir haben gerade mit Heuschnupfen sehr gute Ergebnisse erzielt und eigentlich durchweg positive Rückmeldungen. Es gibt natürlich auch Leute, die kommen eine Saison und dann melden sie sich gar nicht mehr. Da würden wir uns noch ein bisschen mehr Rückmeldung wünschen."
Keine medizinische Therapie
Eines müssen Interessierte beachten: Die Anwendung ist kein medizinisches Angebot. "Der Deutsche Therapiebund versucht seit Jahren, das in die Krankenkassen-Vorsorge reinzubekommen. Das ist aber bislang aus diversen Gründen nicht gelungen", erklärt Scharf.
Beim monotonen Summen und dem besonderen Geruch ist der Wellness-Faktor trotzdem programmiert. Von Ende April bis August bietet Familie Scharf dafür Termine in Braunsroda an.
Hinweis der Redaktion: Zur Wirksamkeit der Bienenstockluft gibt es persönliche Erfahrungen, aber keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege. Eine entsprechende Einordnung war in der ersten Version des Beitrags nicht vorhanden, wir haben sie später ergänzt.
MDR (jn/maf)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 10. Mai 2025 | 18:00 Uhr