Eine Pflegekraft (l) begleitet die Bewohnerin eines Altenheims beim Gang über den Flur.
Immer mehr Bewohner von Pflegeheimen können die Kosten für ihre Unterbringung nicht mehr selber aufbringen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Oliver Berg

Sozialämter Pflegeheimkosten: Warum Hilfeanträge Monate brauchen

15. Mai 2025, 15:57 Uhr

Immer mehr Pflegeheimbewohner können die Kosten nicht allein tragen und beantragen "Hilfe zur Pflege" beim Sozialamt. Laut Arbeitgeberverband Pflege dauert die Bearbeitung oft Monate, teils bis zu einem Jahr. Die Träger gehen in Vorleistung, fordern Strafzinsen und mehr Digitalisierung. Die Diakonie Sachsen spricht von regional sehr unterschiedlichen Wartezeiten. In Chemnitz liegt die Bearbeitungsdauer aktuell bei rund neun Monaten. Personalmangel verschärft das Problem.

Leon Virchow, Referent beim Arbeitgeberverband Pflege, hat kein Verständnis für wochen- oder monatelange Bearbeitungszeiten von Hilfeanträgen. Sein Verband vertritt 955 Unternehmen, die unter anderem Pflegeheime betreiben. In den Einrichtungen sind 80.000 Mitarbeiter tätig. Laut Virchow sind Bearbeitungszeiten von einem Jahr keine Seltenheit.

Der Arbeitgeberverband Pflege fordere deshalb kurzfristig die Einführung von Strafzinsen, sagt Virchow: "Man kennt das im privaten Bereich: Wer Rechnungen nicht bezahlt, trägt dafür Konsequenzen. Die Sozialämter nehmen sich bisher das Sonderrecht raus, nicht betroffen zu sein. Die Bearbeitungszeiten müssen auf ein normales Maß zurück, deshalb fordern wir eine umfassende Digitalisierung  der Verfahren und auch den Einsatz von KI, wie man das auch schon aus Finanzämtern kennt."

67.000 Menschen auf Hilfe angewiesen

2023 waren in den neuen Bundesländern 67.000 Menschen in Pflegeheimen untergebracht, die auf Hilfe vom Sozialamt angewiesen waren, so der Arbeitgeberverband Pflege. Pflegeheimbetreiber, die monatelang auf Gelder ihrer Bewohner warten, seien gezwungen, in Vorleistung zu gehen, sagt Virchow. Denn die Kosten zum Beispiel für das Pflege-Personal liefen weiter, auch wenn die Anträge noch in der Bewilligung seien.

Dennoch: "Pflegebedürftige genießen hohen rechtlichen Schutz – insbesondere in Pflegeheimen. Das ist auch gut so. Uns sind keine Fälle bekannt, in denen Pflegebedürftige tatsächlich vor die Tür gesetzt worden sind", sagt Virchow.

Wartezeiten regional unterschiedlich

Exorbitant lange Bearbeitungszeiten in den Sozialämtern bei Hilfs-Anträgen von Heimbewohnern kann Gabriele Römer von der Diakonie Sachsen nicht bestätigen. Im Freistaat betreibt die Diakonie 125 Alten- und Pflegeheime: "Die Träger unterstützen die Antragsteller bei Beibringung und Zusammenstellung der notwendigen Unterlagen und dadurch gelingt es auch den meisten Trägern, die Wartezeit für ihre Bewohner auf 4 bis 6 Wochen zu reduzieren. Das ist ein erheblicher zusätzlicher Aufwand für die Träger, den sie aber vor dem Hintergrund des diakonischen Auftrags als notwendig erachten."

Mitunter dauere die Bearbeitung auch länger, insgesamt sei die Situation in Sachsen von Landkreis zu Landkreis sehr unterschiedlich, sagt Römer.

Personalmangel in den Sozialämtern

Zu Bearbeitungszeiten von Hilfen zur Pflege in Thüringen teilt das Sozialministerium in Erfurt auf eine Anfrage von MDR AKTUELL schriftlich mit: "Durch die beständigen Änderungen werden die Sozialleistungssysteme und ihre Zusammenhänge immer komplexer, streitanfälliger und erfordern dementsprechend größere Kompetenzen und Zeitaufwand für die Bearbeitung einzelner Fälle. Die qualitative und quantitative Belastung beziehungsweise Überlastung der Beschäftigten der Sozialämter hat sich in den vergangenen Jahren massiv verstärkt und dürfte angesichts steigender Heimkosten und damit einhergehender steigender Fallzahlen vermutlich noch weiter zunehmen."

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Im Vergleich dazu teilt die Stadt Chemnitz mit: "Die durchschnittliche Bearbeitungszeit für Hilfe zur Pflege beträgt aktuell rund 9 Monate." Eigentlich wolle man Hilfeanträge zur Pflege bei vollständigen, entscheidungsrelevanten Unterlagen nicht länger als 2 Wochen bearbeiten, hieß es weiter. Doch aufgrund der aktuellen Personalsituation sei das nicht möglich.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 15. Mai 2025 | 06:08 Uhr

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