Unstrut-Hainich-Kreis Gemeindebibliothek muss Praxis weichen: Großengottern sucht neue Bleibe für die "Bibo"
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22. Mai 2025, 19:33 Uhr
Großengottern im Unstrut-Hainich-Kreis muss für seine Gemeindebibiothek eine neue Bleibe suchen: Die Kommune hat den bisherige Sitz, einen geräumigen Flachbau, an die Betreiberin einer Ergotherapiepraxis verkauft. Mit der Entscheidung haben sich Bürgermeister und Gemeinderat nicht nur Freunde gemacht.
Der Flachbau neben der Schule beherbergt seit mehr als 30 Jahren eine Bibliothek. Allein 47 Jahre ist sie von Claudia Weiß geleitet worden, die 2021 in den Ruhestand gegangen ist. Danach war die "Bibo" seltener geöffnet, zuletzt zweimal pro Woche.
Noch vor einigen Jahren fanden hier regelmäßig Lesungen und Vorlesewettbewerbe statt. Die großen Räume sind auch für den Unterricht genutzt worden.
Doch das Ende der Bibliothek an diesem Standort ist mit dem Verkauf an die ortsansässige Ergotherapeutin Andrea Hausdörfer besiegelt. Nach mehreren Sitzungen hat der Gemeinderat in dieser Woche den Verkauf des gemeindeeigenen Gebäudes beschlossen.
Gemeindebibliothek: Hohe Kosten, wenig Nutzer
Die Bibliothek hat die Gemeinde 10.000 Euro pro Jahr gekostet, sagt Bürgermeister Uwe Zehaczek. Zuletzt sei auch die Zahl der Nutzer deutlich zurückgegangen: Zwei Drittel der Bücher seien schon Jahre nicht mehr ausgeliehen worden.
Der Kreis als Schulträger hatte sich laut Gemeinde schon einige Jahre aus finanziellen Gründen aus der Beteiligung zurückgezogen.
Es gibt keine Lösung im Moment ... es war aber wichtig, für die Gesundheitsversorgung eine Not zu beseitigen.
Der Schulförderverein hat im Moment keine Lösung für die wegfallenden Räume, sagt dessen Vorsitzender Jeremi Schmalz. In dessen Brust schlagen aber bei diesem Thema zwei Herzen - er ist auch stellvertretender Bürgermeister und sehr interessiert an einer funktionierenden Gesundheitsversorgung.
Er sagt: "Es gibt keine Lösung im Moment, ... es war aber wichtig, für die Gesundheitsversorgung eine Not zu beseitigen."
Ergotherapeutin freut sich über neue Praxisräume
Der Schule Leid ist das Glück der Käuferin Andrea Hausdörfer. Ihr waren zu Jahresbeginn die Räume in der Gartenstraße gekündigt worden und sie suchte dringend nach neuen Praxisräumen.
Im März gab es eine Ausschreibung im Gemeindeblatt. Weil sich noch ein weiterer Interessent meldete, muss der Gemeinderat erst Informationen sammeln und beide Interessenten anhören. Das hat ein paar Wochen gedauert.
Andere Räume, die zu den Vorgaben für eine Ergotherapiepraxis passen, gebe es aktuell in Großengottern nicht. Das geplante Gesundheitszentrum hinter dem Bürgerhaus sei frühestens in zwei Jahren gebaut und erst dann eine barrierefreie Alternative.
Derzeit ist die Gesundheitsversorgung vor Ort mit Ärzten, Apotheke und Therapiepraxen sehr gut, sagt Zehaczek. Das neue Gesundheitszentrum soll altersgerecht und modern zu gleich werden.
Praxis wichtig für die Gemeinde und umliegende Orte
Doch so lange konnte und wollte Andrea Hausdörfer nicht warten. Sie war viele Jahre in Bad Langensalza tätig und hat ihre Praxis in Großengottern vor knapp fünf Jahren in einer alten Sauerkrautfabrik eröffnet.
Bis zur Kaufentscheidung zu ihren Gunsten hatte sie bange Wochen, das Konzept hatte sie bereits im Februar fertig. Sie sagt: "Ich hatte schlaflose Nächte und Angst um meine Zukunft in Großengottern".
Immerhin 500 Termine vergeben sie und ihre beiden Teamkolleginnen den Angaben nach im Monat. Drei von vier Patienten kommen demnach aus der Landgemeinde und jeder Zweite aus Großen- oder dem Nachbarort Altengottern.
Ich hatte schlaflose Nächte und Angst um meine Zukunft in Großengottern.
Ihre Patienten kommen mit psychiatrischen, neurologischen und psychosomatischen Problemen, brauchen eine Hand- oder Entspannungstherapie, haben Demenz, Multiple Sklerose oder einen Schlaganfall.
In den neuen Räumen hat Hausdörfer mehr Platz: 190 statt bisher rund 110 Quadratmeter. Bis Jahresende will sie umgezogen sein. Die neue Praxis ist nur wenige Meter von der jetzigen entfernt. Ihre Patienten haben ihr die Daumen gedrückt, sagt sie. Am Morgen nach der Entscheidung zu ihren Gunsten brachten sie Blumen, haben angerufen und gratuliert.
Nicht nur Glückwünsche
Die einzige Buchhändlerin im Ort, Doris Rudka, ist entsetzt über den Verkauf der Bibliotheksräume. Eine Bibliothek sollte unbedingt erhalten bleiben und erst recht neben einer Schule, sagte sie. Sie weiß, dass an der Schule derzeit eine Projektarbeit zum Thema Lesekompetenz geschrieben werde - da könne man niemandem die Schließung der Bibliothek erklären.
Was mit den Büchern aus der Gemeindebibliothek geschehen soll, dafür gibt es bereits Vorschläge. Sie könnten in die Räume in einem Gebäude in der Bahnhofsstraße ziehen. In dem Gebäude treffen sich regelmäßig die Landfrauen und die Ortsgruppe der Arbeiterwohlfahrt.
MDR (cg/jn)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 22. Mai 2025 | 18:45 Uhr
Frau K. vor 5 Tagen
Es wäre gut, wenn der ländliche Raum wieder über die Landkreise betreut würde. Doch das wurde nach und nach eingestampft. Wenns keine dauerhaften Räume gibt, dann könnte der Landkreis doch eine mobile Bibliothek übers Land fahren lassen.
pepe79 vor 5 Tagen
Ich finde die Empörung übertriebe . Man sucht ja einen neuen Ort für die Bibo. Sie muss ja jetzt nicht zu gunsten eines Ramschladens dort raus sondern für eine sehr wichtigen Teil des Gesundheitssystems....hier gibt es im Grunde nichts zu skandalisieren.
Franziska81 vor 5 Tagen
Die Brettspiele hatte unsere Bibliothekarin schon vor 30 Jahren im Angebot. Auch Hörspiele waren da. Zusätzlich gab es Lesungen für die Kinder aus den umliegenden Kindergärten und Schulen. Und Vorbereitungen für Vorträge konnten wir dort auch treffen. Das Konzept war gut! Danke für die schöne Zeit und dennoch alles Gute für die neue Nutzerin!