
Cosplay mit Herz Warum eine Erfurter Mutter eine Superhelden-Agentur gründete
Hauptinhalt
17. Mai 2025, 05:00 Uhr
Wenn am Wochenende wieder Tausende Cosplayer, Comic-Nerds und Manga-Fans zum Comicpark auf die Erfurter Ega pilgern, dann sind auch Michaela Linow und ihr Team von "Heldenherz und Königstöchter" dabei. Für Thüringens erste Superhelden-Agentur ist der Comicpark eine Herzensangelegenheit. Schließlich hat hier alles angefangen.
Im echten Leben ist Spider-Man Steuerfachangestellter und heißt eigentlich Jo. Doch heute zieht er mit Black Widow, Batman, Ladybug und einer Hand voll Disney-Prinzessinnen durch die Erfurter Innenstadt: Promo-Tour für den Comicpark am Wochenende.
Wobei er eigentlich kaum dazu kommt, Werbung zu machen, denn die ganze Zeit posiert er entweder für Fotos mit großen und kleinen Spider-Man-Fans oder Black Widow zupft ihm am Hals rum, um den Klettverschluss an seiner Maske zu verstecken. "Das sieht sonst nicht aus", sagt sie.
Ein bisschen die Welt retten
Im echten Leben ist Black Widow Sachbearbeiterin in einem Büro. Sie heißt Vivien und ist mit Jo – also Spider-Man – liiert. Seit zwei Jahren sind Jo und Vivien im Nebenberuf Superhelden und auch wenn sie keine echten Superkräfte haben, retten sie doch von Zeit zu Zeit ein bisschen die Welt.
"Es gibt da echt herzzerreißenden Momente. Anfang des Jahres haben wir die Kinderkrebsstation besucht", erzählt Jo. Zu erleben, was es den Kindern bedeutet, Spider-Man ein High Five zu geben oder mit ihm ein Foto zu machen, das seien die schönsten Momente an seinem Job als Superheld. Den Menschen Freude zu bereiten, das sei toll, sagt auch Vivien: "Wir lassen ja nicht nur die Kinderaugen strahlen, sondern machen damit auch die Eltern und Großeltern glücklich."
Vivien und Jo sind sogenannte Walking Acts und arbeiten für Thüringens erste Superhelden- und Märchen-Agentur: "Heldenherz und Königstöchter". Als Cinderella und Prinz Kit, Scarlet Witch und Dr. Strange oder als Black Widow und Spider-Man sind sie bei Festen, Events und Charity-Aktionen im Einsatz. "Im April 2023 hat Ladybug mich gefragt, ob ich eine Königstochter werden will und da habe ich Jo gleich mitgebracht", erinnert sich Vivien an die Anfänge.
Als Mama zu Wonder Woman wurde
Ladybug ist im echten Leben zweifache Mutter, heißt eigentlich Michaela Linow und ist die Gründerin von "Heldenherz und Königskinder". Die 45-Jährige ist für die Agentur das, was Professor X für die X-Men, Star Lord für die Guardians of the Galaxy oder Batman für die Justice League ist – die Chefin, die alle zusammenhält.
Ihre Scheune im Erfuter Ortsteil Alach hat sie zum Hauptquartier ausgebaut, wo die Helden und Prinzessinnen ihre Kostüme lagern. Linows Vision von "Heldenherz und Königstöchter" ist klar: "Ich möchte Disneyland nach Thüringen holen. Ich möchte verzaubern. Ich möchte Magie erschaffen."
Ich möchte Disneyland nach Thüringen holen. Ich möchte verzaubern. Ich möchte Magie erschaffen.
Auf die Idee brachten sie ihre eigenen Töchter: "Meine beiden Mädchen sind totale Superhelden Fans. Vor allem meine Kleinere steht auf Captain Marvel und verkleidet sich auch gerne." Beim gemeinsamen Schauen der Filme habe Linow sich dann selbst in diese Welt fallen lassen und ihre Begeisterung für Superhelden und Disneyfiguren entdeckt. Vor allem ein Charakter begeisterte sie: Wonder Woman.
"Wonder Woman hat immer 1.000 Bälle gleichzeitig in der Luft. Liebe, Wahrheit und Gerechtigkeit sind ihre Werte und das mag jetzt pathetisch klingen, aber das ist das, wofür ich auch stehen möchte", sagt Linow. Vor sieben Jahren, beim Comicpark 2018, versuchte sie sich erstmals selbst als Wonder Woman-Cosplayerin. "Das hat so viel Spaß gemacht, dass ich gedacht habe: Das möchte ich einfach öfter machen."
Jede Generation hat ihre Helden
"Das war ja supercool", schwärmt die kleine Thea. Das vielleicht zehn Jahre alte Mädchen ist hin und weg. Gerade hat sie mitten in Erfurt ein Foto mit den Superhelden und Prinzessinnen gemacht. Batman hat ihr sogar die Hand auf die Schulter gelegt. Ihre Lieblingsheldin sei aber Ladybug, sagt sie noch und zieht glücklich von dannen.
"Das ist ganz typisch", sagt Linow. Welche Helden man mag, hänge mit der eigenen Kindheit zusammen. Während Spider-Man und Batman auch bei Eltern und Großeltern beliebt seien, würden kleinere Kinder diese klassischen Superhelden manchmal noch gar nicht kennen. Kein Wunder, denn die wenigsten der inzwischen 36 Marvel- und 15 DC-Verfilmungen (Stand: Mai 2025) sind für Kinder unter zwölf Jahren geeignet.
Wonder Woman hat immer 1.000 Bälle gleichzeitig in der Luft. Liebe, Wahrheit und Gerechtigkeit sind ihre Werte und das mag jetzt pathetisch klingen, aber das ist das, wofür ich auch stehen möchte.
"Die Kleinen schauen gerade alle die Serie 'Miraculous' und finden Ladybug und Cat Noir super", sagt Linow, weshalb die Agentur auch diese Helden-Linie neuerdings bediene. Bei den Disney-Figuren seien hingegen Anna, Elsa und Olaf aus Frozen mit Abstand am beliebtesten.
Rollenspiel und Liebe zum Detail
Insgesamt 16 Darsteller und Darstellerinnen arbeiten derzeit für "Heldenherz und Königstöchter". Sie alle haben zwei, drei manchmal sogar vier Rollen, die sie nicht nur darstellen, sondern auch mit Leben füllen.
"Wir sind Walking Acts und sollen so nah an der Figur wie möglich sein", sagt Rapunzel, die im echten Leben Celina heißt, gerade ihr Abitur macht und später Jura studieren möchte. "Heute bin ich Rapunzel, also bin ich aufgedreht und ausgelassen", sagt sie. Tatsächlich tanzt sie manchmal mehr als zu laufen und posiert auf Fotos lebhaft mit ihrer Bratpfanne.
"Solche Details unterscheiden ein Cosplay-Kostüm von einem Faschingskostüm", sagt Linow. "Damit kann man spielen und das Publikum miteinbinden." Denn das ist das Ziel der Agentur: Die Kinder sollen das Gefühl haben, dass da die leibhaftige Rapunzel, Ariel, der echte Batman vor ihnen steht.
Um diese Immersion zu unterstützen, arbeitet Linow zu jeder Figur eine Rollenbeschreibung aus, die ihren Darstellern nicht nur die Hintergrundgeschichte, sondern auch typische Sprüche oder Bewegungen der jeweiligen Figur vermittelt.
Auf der Suche nach weiteren Darstellern
Inzwischen kann sich die Agentur vor Auftritten kaum mehr retten - zumindest im Frühling und Spätsommer. "Das ist ein Saisongeschäft. In den Sommerferien ist meist Flaute und auch im Winter ist, mit Ausnahme der Weihnachtsmärkte, meist nicht viel los", sagt Linow.
Der Mai hingegen sei ausgebucht. Drei bis vier Auftritte pro Woche kann die Agentur stemmen. Für mehr fehlt es schlicht an Zeit, denn das alles ist auch für die Geschäftsführerin nur ein Nebenjob.
Weil oft auch Darsteller fehlten, sei Linow permanent auf der Suche: "Mein Alltag besteht darin, jeden Menschen, den ich treffe, zu scannen, ob der vielleicht aussieht wie Captain America, Loki oder Thor – die suche ich gerade nämlich."
Mit dem Aussehen allein sei es aber nicht getan. Sie brauche auch die richtigen Charaktere. "Als Cosplayer musst du aus dir rauskommen können. Du musst auf Leute zugehen können, sie ansprechen und musst dich trauen, dich vielleicht auch mal zum Obst zu machen", sagt Linow.
Zudem sollte es den Darstellern nicht allein um Geld gehen, denn das Geschäftsmodell von "Heldenherz und Königskinder" sieht auch nicht bezahlte Auftritte vor: "Ich wollte immer auch Charity für Kinder machen, denen es nicht gut geht und die dringend Superhelden brauchen", sagt Linow.
Inzwischen ist die Agentur Partner des Kinderhospiz Mitteldeutschland. Spendenaktionen wie den Mühlhäuser Röblinglauf absolvieren die Heldenherzen allein für den guten Zweck.
Comicpark als "Homebase"
Auch die Promo-Tour für den Comicpark durch die Erfurter Innenstadt ist ein Freundschaftsdienst. Denn auf der Ega hat Linow nicht nur ihre Cosplay-Leidenschaft entdeckt, auf dem Comicpark 2023 habe sie auch die Agentur eröffnet. "Der Comicpark ist unsere Homebase, das ist unsere Stadt, da wollen wir dabei sein“, sagt Linow.
In der Erfurter Innenstadt ist die Helden-Karawane inzwischen am Erfurter Angerbrunnen angekommen und nimmt Aufstellung für ein Gruppenfoto. Wegen der vielen Fotowünsche hat der Weg durch die Stadt etwas gedauert.
"Ich wurde heute allein von sechs Junggesellinnenabschieden angesprochen", sagt Batman, der im echten Leben für ein Telekommunikationsunternehmen arbeitet und eigentlich Ron heißt. Warum er an einem sonnigen Tag im schwarzen Batman-Kampfanzug durch Erfurt laufe? "Wegen der Kinder, die sich darüber unendlich freuen".
Und wie zum Beweis, kommt plötzlich ein Mädchen angerannt, kreischt glücklich "LADYBUG!" und läuft der verkleideten Michaela Linow in die Arme, die sie hochhebt und fest an sich drückt. Für die Kleinsten ist es am Ende eben kein Cosplay. Es ist echt.
Rechtlicher Hinweis
Cosplay bewegt sich in einem rechtlichen Graubereich. Viele Figuren, die interpretiert werden, sind formal durch das Urheberrecht geschützt. Allerdings muss bei einem Cosplay aufgrund der "Fair Use"-Grundsatzes nicht zwangsläufig eine Rechtsverletzung vorliegen.
In der Praxis gibt es hier bisher keine zitierfähige Rechtsprechung, da Lizenzinhaber das Cosplay in aller Regel als kostenlose Werbung und Fantum dulden.
MDR (ask)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | 16. Mai 2025 | 18:00 Uhr
Sozialberuflerin vor 1 Wochen
Das ist so unfassbar cool....
Ganz tolle Idee
Und meine Hochachtung vor der Umsetzung
Ihr schenkt soviel Menschen (groß und klein) ein Lächeln und Freude
Weiter so...
Mehr davon
Jan Will vor 1 Wochen
fetzige Sache, tolle Idee, die Freude macht!