Foto zweier Kinder mit Smartphone
An vielen Thüringer Grundschulen ist das Handy in der Regel bereits verboten. (Symbolbild) Bildrechte: PantherMedia | ShotStudio

Mediennutzung "Alles, was verboten wird, hat natürlich einen Reiz": Kommt das Handyverbot an Grundschulen?

12. Mai 2025, 09:00 Uhr

Kommt das Handyverbot an den Thüringer Grundschulen? Im Schulgesetz gibt es bereits eine Regelung zur Handynutzung. Nun will das Ministerium diese mit einer Empfehlung an alle Grundschulen präzisieren.

Handys sollen aus dem Schulalltag der Thüringer Grundschüler weitgehend verbannt werden - so steht es im Regierungsvertrag der Koalition aus CDU, BSW und SPD. In den Pausen sollen die Kinder nicht auf Bildschirme starren, sondern spielen, sich erholen und sich miteinander austauschen.

Ministerium will Grundschüler "vor digitalen Überforderungen" schützen

Im Unterricht sollen sie sich ohne Handy besser konzentrieren können. Man wolle die Schülerinnen und Schüler mit verbindlichen Einschränkungen der Handynutzung "vor digitalen Überforderungen" schützen, teilte der Sprecher des Bildungsministeriums MDR THÜRINGEN mit.

Die Ziele eines Handyverbotes kann Marco Kalz, Professor für Mediendidaktik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, nicht nachvollziehen. Eine wissenschaftliche Basis für Smartphone-Verbote gebe es nicht. Derzeit lasse sich nicht nachweisen, dass Smartphone-Verbote an Schulen die Lernleistung oder das Wohlbefinden steigern oder Mobbing im Netz verhindern.

Zu einem anderen Ergebnis kamen Forscher am Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität Augsburg in einer Überblicksstudie, in der fünf große Studien aus Norwegen, Spanien, Tschechien, England und Schweden miteinander verglichen wurden. Darin zeigt sich, dass ein Smartphone-Verbot messbar positive Effekte auf das soziale Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern hat. Ein striktes Handyverbot ist laut den Forschern in den unteren Klassen sinnvoll.

Schon jetzt an vielen Grundschulen Regelungen zu Handynutzung

Doch ist ein Handynutzungsverbot an Grundschulen überhaupt nötig? Schließlich hätten die meisten Grundschüler noch gar kein Handy, sagt Andrea Freund, stellvertretende Schulamtsleiterin des Schulamts Mittelthüringen. Deshalb sei ein Handyverbot an Grundschulen kein Schwerpunkt und schon gar kein Problemthema.

Während der Schulzeit dürfen die Mobiltelefone nicht genutzt werden. Ich habe bisher von keiner Grundschule etwas Gegenteiliges gehört.

Peter Oehmichen Landeselternsprecher

Auch aus Sicht der Elternvertreter ist ein extra Handyverbot hier unnötig. "Während der Schulzeit dürfen die Mobiltelefone nicht genutzt werden. Ich habe bisher von keiner Grundschule etwas Gegenteiliges gehört", sagte der Landeselternsprecher Peter Oehmichen MDR THÜRINGEN dazu.

Die neu gewählten Thüringer Ladeselternsprecherinnen und Landeselternsprecher mit ihren Urkunden 1 min
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Der Thüringer Landeselternsprecher Peter Oehmichen sagt zum geplanten Handyverbot an Grundschulen unter anderem, dass Verbote nichts bringen. Stattdessen brauche es Medienschulungen auch für Eltern.

MDR THÜRINGEN - Das Radio Mi 07.05.2025 14:06Uhr 01:29 min

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Im Thüringer Schulgesetz ist jetzt schon geregelt, dass digitale Endgeräte grundsätzlich nur mit ausdrücklicher Erlaubnis der Schule oder der Lehrkräfte genutzt werden dürfen. Jede Schule in Thüringen regelt den Umgang mit Handys also selbst.

Sprechen, Sprechblase
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Es gab ein breites Meinungsspektrum, ein sehr breites Spektrum: Oatley1969 stieß mit "Jedes Kind weiß, wie und wann es das Handy auszuschalten hat. Hier ist aber die Erziehung der Eltern gefordert! Da sehe ich eher das Problem" sofort auf Skepsis von lulu2020: "Das tägliche Leben zeigt etwas anderes, klar ist die Erziehung der Eltern von Bedeutung aber gerade deshalb sollte es einheitliche Regelungen geben, weil viele Eltern selbst nicht mehr wissen, wann die Nutzung unangebracht ist", was auch Kritische so sah: "Heute ist eine Generation Eltern am Start, die selbst schon das Smartphone im Kinderwagen hatten, etwas überspitzt ausgedrückt. Normales Spielen, unterhalten, die Natur erleben, ein aufmerksames Miteinander ohne Smartphone wird dadurch immer seltener."
Für eine harte Linie plädierte Anni22 mit "Alkohol und andere Drogen sind in der Grundschule auch verboten, oder?! Nur los nicht Mal hinterfragen, ob Grundschulkinder nicht auch noch ohne Handy lebensfähig sein sollten..." was natürlich auf "wie will man solch ein Verbot kontrollieren?" (emlo) stieß und "Zur Lebenskompetenz gehört heute die Medienkompetenz untrennbar dazu, machen wir uns nichts vor. Zu dieser Kompetenz gehört auch entscheiden zu können, wann das Telefon sinnvoll eingesetzt wird und wann es einfach mal zur Seite gelegt wird." (Anita L.) - unterstützt von Nico Walter: "Medienkompetenz heißt ja nicht nur zu wissen, was man mit einem Handy alles so machen kann, sondern noch viel mehr, was man ohne Handy alles so machen kann. Da scheinen mir heute die viel größeren Defizite zu liegen, nicht nur bei Kindern.“ Er favorisierte die bayerische Variante mit erst einmal grundsätzlichem Verbot, aber Ausnahmen bei entsprechenden pädagogischen Konzepten.
Für einen Kompromiss plädierte Zenkimaus "Die Phones im Ranzen lassen, nicht im Unterricht nehmen, lautlos schalten. Nicht verbieten, sondern zeigen was man alles machen kann." Dagegen war astrodon skeptisch, was "weichere" Mittelwege angeht: "Allerdings müssen die Schulen (also Schulkonferenz) dies beschließen und argumentativ gegenüber Schülern und Eltern begründen. Das stresst. Hinter einem ministeriellen Verbot könnte man sich 'verschanzen'".

In den meisten Grundschulen seien Regelungen dazu auch wirklich in den Hausordnungen festgelegt, berichtet Andrea Freund vom Schulamt Mittelthüringen. Landesweite Zahlen dazu, wie viele Schulen bereits Regelungen zur Handynutzung haben, gibt es laut Ministerium allerdings nicht.

In vielen Grundschulen würden die Schüler "in der Regel dazu aufgefordert, die Handys im Ranzen aufzubewahren", sagt Andrea Freund. Das bestätigt Landeselternsprecher Oehmichen. Mobiltelefone dürften in der Regel während der Schulzeit nicht benutzt werden, sagt er.

Die Grundschule ist ein besonders sensibler Entwicklungsraum für Kinder.

Sprecher Thüringer Bildungsministerium

Dennoch sieht das Thüringer Bildungsministerium Handlungsbedarf. "Die Grundschule ist ein besonders sensibler Entwicklungsraum für Kinder", teilte der Ministeriumssprecher mit. Das Schulgesetz soll aber nicht angepasst werden.

Laut Einschätzung seitens des Ministeriums bestehe hier kein Änderungsbedarf. Denn der jetzige Paragraf im Thüringer Schulgesetz biete bereits eine ausreichende rechtliche Grundlage, auf der die Schulen eigene Regelungen für die Umsetzung treffen können, so das Ministerium.

Empfehlung an alle Thüringer Grundschulen

Stattdessen soll an alle Grundschulen ein ministerielles Schreiben gehen, das Leitlinien und klare Regelungen zur Handynutzung enthalten soll. Damit wird laut dem Ministeriumssprecher im Schuljahr 2025/2026 nichts Neues an den Schulen eingeführt, sondern "die Schulen werden für die Umsetzung der bisherigen Rechtslage sensibilisiert und somit gestärkt".

Ob und wie die Schulen diese Empfehlungen in ihre Hausordnungen aufnehmen, bleibt laut Schulgesetz letztendlich ihnen überlassen. Doch der Ministeriumssprecher sagte MDR THÜRINGEN auch: "Diese Regel wird keiner unterlaufen können." Das heißt, grundsätzlich gibt es laut Ministerium schon ein Handyverbot, das die Schulen aber in ihren Hausordnungen anpassen können.

Schulkind frustriert mit Handy bei Hausaufgaben
Was verboten ist, besitze einen besonderen Reiz, sagt Landeselternsprecher Peter Oehmichen. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / ingimage

Alles, was verboten wird, hat natürlich einen Reiz.

Peter Oehmichen Landeselternsprecher

Aus Sicht der Landeselternvertretung bringe ein generelles Verbot nichts, sagt Landeselternsprecher Oehmichen. "Alles, was verboten wird, hat natürlich einen Reiz." Vielmehr müsse der Umgang mit Medien beziehungsweise dem Mobiltelefon mehr geschult werden. "Eltern müssten diese Schulung genauso bekommen wie Kinder", so Oehmichen. "Ich glaube, das würde viel mehr bringen."

Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler fördern

Das bestätigt die Überblicksstudie der Universität Augsburg. Die Forscher betonen, dass ein reines Handyverbot ohne pädagogische Begleitung nicht viel bewirke. Es sei wichtig, dass Kinder und Jugendliche lernten, wie sie verantwortungsbewusst mit der Technik umgehen könnten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfehlen deshalb, ein Verbot immer mit Bildungsmaßnahmen zu kombinieren, die die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler fördern.

Thüringens Bildungsminister Christian Tischner (CDU) im Gespräch mit Schülern.
Der Thüringer Bildungsminister Christian Tischner (CDU) sagte im März: "Schüler sollten in den Pausen miteinander reden, spielen, interagieren - und nicht nur auf ihr Handy schauen." (Archivbild) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Seit diesem Schuljahr wird genau das in Thüringen umgesetzt: Das Schulfach "Medienkompetenz und Informatik" wird in allen Schulen ab der fünften Klasse unterrichtet. Hier sollen Kinder und Jugendliche bis zur achten Klasse zwei Stunden pro Woche nicht nur darin geschult werden, wie digitale Technik funktioniert, sondern auch darin, welche Möglichkeiten Soziale Medien bieten und worin die Gefahren liegen.

Kein Handyverbot an weiterführenden Schulen

Das neue Fach wird an allen weiterführenden Schulen gelehrt. An diesen soll es auch keine Empfehlung des Bildungsministeriums (TMBWK) für ein Handyverbot geben. Auch laut der Überblicksstudie der Universität Augsburg sollte die Handynutzung mit zunehmendem Alter der Schülerinnen und Schüler eigenverantwortlich sein.

Denn Smartphones bieten auch viel Potenzial in Bezug auf Kommunikation und Informationsbeschaffung, deshalb sollten Lehrkräfte sie durchaus auch als Unterrichtselement einsetzen. Das sei wichtig, um bei den Heranwachsenden eine Medienmündigkeit zu entwickeln.

Für die Kinder an den Thüringer Grundschulen sei, so der Ministeriumssprecher, "ein klarer, altersgerechter Rahmen für die Mediennutzung pädagogisch sinnvoll und notwendig". Eine Einschränkung der privaten Handynutzung in der Kernschulzeit sei deshalb wichtig. "Die Schule ist ein besonderer Schutzraum, gerade in der Grundschule."

MDR (caf)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 20. März 2025 | 06:00 Uhr

71 Kommentare

Hebamme vor 9 Minuten

Also in unserer Schule hat der Info Lehrer (übrigens ehrenamtlich, auf Einladung des schulfördervereins) einen elterabend bzgl KI und Umgang damit sehr gut gestaltet

Hebamme vor 16 Minuten

Bitte erläutern Sie mir den Zusammenhang zwischen weltoffenem Thüringen, den, demokratisch gewählten, Elternvertretern und dem, ebenso demokratisch gewähltem CDU Minister.
Und wenn Sie dann noch sachlich bzgl Handy Verbot argumentieren könnten...

Anita L. vor 21 Minuten

Die Vergleiche sind schon reichlich abstrus. Das mobile Telefon gehört auch für Kinder inzwischen zum gelebten Alltag, ob es nun ein eigenes besitzt oder die Eltern bzw. die Menschen um es herum. Für „Alkohol und andere Drogen“ dürfte das wohl eher nicht der Fall sein.

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