Hängeregister mit Vorfälle und Antisemitismus Hängeregister mit Vorfälle und Antisemitismus
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Jahresbericht der Meldestelle Rias Mehr antisemitische Vorfälle in Sachsen-Anhalt

14. Mai 2025, 17:01 Uhr

Über zehn Prozent mehr antisemitische Vorfälle gab es in Sachsen-Anhalt im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr. Das geht aus dem Jahresbericht der Meldestelle Rias hervor. Die meisten Vorfälle sind dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. In den meisten Fällen beziehen sich die Vorfälle auf die Shoah und die Zeit des Nationalsozialismus. Neu hinzugekommen sind Vorfälle im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt.

Die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Sachsen-Anhalt ist 2024 gestiegen. Das geht aus dem Jahresbericht der Meldestelle Rias hervor, der am Mittwoch in Magdeburg vorgestellt wurde. Demnach wurden im vergangenen Jahr 202 Fälle dokumentiert. Das entspricht Rias zufolge gegenüber 2023 einem Anstieg um 13 Prozent (178 Fälle).

Meiste Vorfälle aus dem rechtsextremen Spektrum

Wie die Meldestelle mitteilt, waren 86 Personen und in 47 Fällen Einrichtungen von den Anfeindungen betroffen. Unter anderem habe es drei Angriffe, 22 gezielte Sachbeschädigungen und 16 Bedrohungen gegeben. Häufigster Tatort sei der öffentliche Raum. Die meisten antisemitischen Vorfälle müssten dabei weiterhin dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden.

Die Meldestelle Rias Die Meldestelle Rias dokumentiert landesweit antisemitische Vorfälle unabhängig davon, ob sie als strafbar erachtet werden oder nicht. Anfeindungen können etwa über die Seite www.report-antisemitism.de gemeldet werden. Träger der Meldestelle ist seit 2022 der bundesweit agierende Verein Ofek mit Sitz in Berlin. Der Jahresbericht für 2024 ist der zweite, den Rias vorlegt.

Der Landesverband jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt zeigte sich am Mittwoch in Sorge und "tief beunruhigt" angesichts der Zahlen. Jüdinnen und Juden sähen sich einer Welle von Feindseligkeit, Aggression und gezielter Desinformation ausgesetzt. Getragen werde diese aber nicht mehr nur von radikalisierten Gruppen oder islamistischen Milieus, sondern zunehmend aus der Mitte der Gesellschaft.

Das ist ein Angriff nicht nur auf uns, sondern auf unsere Demokratie, auf die Werte, die uns als Gesellschaft prägen sollen. Das können wir als Gesellschaft nicht hinnehmen.

Inessa Myslitska Landesvorsitzende der jüdischen Gemeinden

"Das ist ein Angriff nicht nur auf uns, sondern auf unsere Demokratie, auf die Werte, die uns als Gesellschaft prägen sollen. Das können wir als Gesellschaft nicht hinnehmen", sagte die Landesvorsitzende der jüdischen Gemeinden, Inessa Myslitska.

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Die meisten Vorfälle im Jahresbericht werden dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet. Bildrechte: IMAGO/Steinach
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Im Jahr 2024 gab es mehr antisemitische Vorfälle als im Jahr 2023. Das geht aus dem Jahresbericht der Meldestelle Rias hervor. Die meisten davon stammen demnach aus dem rechtsextremen Spektrum.

MDR SACHSEN-ANHALT Mi 14.05.2025 13:04Uhr 00:36 min

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Antisemitismus vor allem mit Bezug zum Holocaust und der NS-Zeit

Mit 87 Fällen häufigste Erscheinungsform des Antisemitismus im Land seien Ereignisse mit Bezug zur Shoah und zum Nationalsozialismus. Dieser Post-Shoah-Antisemitismus habe sich im Vergleich zu 2023 fast verdoppelt, so die Autoren des Berichts. Dazu zählten laut Bericht Verherrlichung oder Leugnung der NS-Verbrechen sowie Angriffe auf das Gedenken.

So seien etwa rund um verschiedene Gedenktage zahlreiche Stolpersteine gestohlen oder massiv beschädigt worden. Dokumentiert worden seien aber auch beispielsweise "1933! 1933!"-Rufe gegenüber einer israelischen Fußballmannschaft in einem Stadion in Halle. Aus Sicht von Rias hat das auch mir "Schlussstrich-Forderungen" in Bezug auf die Erinnerungskultur zu tun.

Vorfälle mit Bezug zum Nahost-Konflikt kommen neu dazu

Neu dazu gekommen sei 2024 eine starke Präsenz des antiisraelischen Aktivismus. Insbesondere in Halle, aber auch in Magdeburg hätten sich im studentischen Milieu Gruppen etabliert und radikalisiert. Aus diesen Kreisen sei es zu Beschimpfungen, Veranstaltungsstörungen, Todesdrohungen bis hin zu körperlicher Gewalt gekommen. Hintergrund dieser Tendenz ist laut Rias der terroristische Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und die militärische Reaktion der Israelis darauf.

Jüdische Gemeinschaft wird haftbar gemacht

Insgesamt sei das Datum für die jüdische Gemeinschaft in ganz Deutschland eine Zäsur gewesen, sagte Marina Chernivsky, Geschäftsführerin des Rias-Trägervereins Ofek, am Mittwoch in Magdeburg. Anfeindungen seien seither sprunghaft angestiegen, beim Sicherheitsempfinden von Jüdinnen und Juden in Deutschland habe damit eine "tektonische" Verschiebung stattgefunden.

Auch der Ansprechpartner für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus in Sachsen-Anhalt, Wolfgang Schneiß, verwies auf diesen Punkt. "Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland wird haftbar gemacht für Regierungshandeln in Israel und das ist nicht in Ordnung."

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MDR (Daniel Salpius)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 14. Mai 2025 | 19:00 Uhr

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