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Sanktionen gegen RusslandWoher kommt das Kerosin an ostdeutschen Flughäfen?

16. Mai 2025, 06:33 Uhr

Ein Ende des russischen Angriffskriegs ist nicht in Sicht – solange bleiben auch die Sanktionen gegen Russland bestehen, wie zum Beispiel ein Importverbot von russischem Rohöl in die EU. Auch raffinierte Erdölprodukte aus Russland dürfen nicht mehr in die EU. Ein MDR-AKTUELL-Hörer will wissen, ob das auch für Rohöl gilt, das zu Kerosin verarbeitet wird. Er gehe davon aus, dass vor Kriegsbeginn das Kerosin für deutsche Flughäfen zu 100 Prozent aus Russland kam.

Fast 2,5 Millionen Liter Kerosin werden am Flughafen Leipzig/Halle jeden Tag vertankt. Das ist ungefähr ein volles olympisches Schwimmbecken, dessen Inhalt größtenteils in den Frachtmaschinen von DHL landet. Kann man sicher sein, dass momentan aufgrund der Sanktionen in diesem Becken kein einziger Tropfen aus Russland kommt?

Die Sprecherin der Total-Raffinerie in Leuna, Diana Heuer, sagt "Ja". Zumindest für Total, das auch das Kerosin an den Flughafen Leipzig liefert, könne sie das versichern.

Rohöl kommt vom internationalen Markt

Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine habe Total Energies bereits im März 2022 mit der Umstellung auf nichtrussische Rohöle begonnen. "Und dann, im Januar 2023, haben wir den Bezug komplett gestoppt. Und jetzt erfolgt die Rohölbeschaffung über den internationalen Markt", erklärt Heuer. Somit beziehe Leuna keinerlei russisches Rohöl. Das meiste Öl, aus dem in Leuna Kerosin hergestellt werde, komme aus den USA, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Norwegen, so Heuer.

Der zweite Lieferant für den Flughafen Leipzig/Halle ist Shell. Und auch Shell beteuert auf Anfrage, dass man sich voll und ganz an die Sanktionen halte. Und trotzdem gibt es ein Aber.

Handelswege über Kasachstan als Schlupfloch

Denn Schlupflöcher im Sanktionssystem eröffnen durchaus Wege für den Import. Einer dieser Wege führt über Kasachstan, sagt Thilo Maack, Öl-Experte bei Greenpeace.

"Das ist insofern interessant, weil kasachisches Öl auf dem gleichen Weg zu uns gelangt, wie russisches Öl", erklärt Maack. Während es für russisches Öl Sanktionen gebe und es eigentlich nicht auf den europäischen Markt komme, dürfe kasachisches Öl nach wie vor Verwendung finden. "Und die Unterscheidung zwischen kasachischem und russischem Öl – das ist das große Problem. Und dann verschleiert sich die Herkunft."

Russland umgeht Sanktionen mit Schattenflotte

Ein weiterer Weg verläuft über die Türkei. Recherchen von Thinktanks und Journalisten zeigten, dass Händler in Istanbul russisches Öl oder schon raffiniertes Kerosin kauften, anders deklarieren und teurer nach Europa weiter verkaufen. Auch über Indien könnte es solche Importe geben, zeigten Berichte. Hinzu kommt, dass Russland mit seiner sogenannten geheimen Schattenflotte Sanktionen umgeht, erklärt Thilo Maack. Er fordert die EU zu mehr Kontrollen auf.

"Also, es kommt ein Schattenflottentanker mit russischem Rohöl, der fährt ins Mittelmeer. Und auf hoher See im Mittelmeer übergibt er seine Ladung an ein anderes Schiff", erklärt Maack. So werde etwa die Herkunft verschleiert. "Und diese illegalen Übergaben auf hoher See, die sind mit einigem Aufwand per Satelliten- oder Luftüberwachung möglich." Aber dafür brauche es auch den entsprechenden politischen Willen und die Umsetzung. Und die fordere Greenpeace immer wieder ein.

Unklar, wie viel russisches Öl genutzt wird

Sicher ist also: Öl kommt weiter aus Russland nach Europa. Wie viel? Dazu gibt es keine seriösen Schätzungen – vermutlich sind die Größenordnungen gering. Und wo landet das Öl dann? In Raffinerien? Wird es zu Kerosin verarbeitet? Oder zu einem Plastikbecher? All das lässt sich kaum nachvollziehen. Denn der globale Handel ist komplex. Eine Garantie kann letztendlich nur geben, wer den Weg jedes einzelnen Tropfens nachverfolgt.

Übrigens, vor der Zeitenwende waren deutsche Flughäfen natürlich deutlich abhängiger von russischem Öl. Aber: Der Anteil lag nicht bei 100 Prozent, so wie es der Hörer in seiner Frage formuliert. Die Schätzungen gehen eher Richtung 20 Prozent.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 16. Mai 2025 | 06:00 Uhr

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