Parteitag in Chemnitz Linke hält CDU-Unvereinbarkeitsbeschluss für "vollkommen aus der Zeit gefallen"

10. Mai 2025, 20:21 Uhr

Beim Bundesparteitag der Linken in Chemnitz ist es vor allem um die künftige Ausrichtung der Partei und ihre Rolle in der Opposition gegangen. Ko-Parteichefin Ines Schwerdtner rief die CDU zur Zusammenarbeit auf. Deren Beschluss, mit der Linken gar nicht zu kooperieren, sei inzwischen obsolet geworden. Zugleich gab es heftige Kriotik an der Bundesregierung.

Nachdem sie am Dienstag eine zweite Abstimmung über den Kanzlerkandidaten ermöglicht hat, hält die Linke den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU für überholt. Ko-Parteichefin Ines Schwerdtner sagte dazu in der ARD in den "Tagestehmen", dieser Beschluss sei "vollkommen aus der Zeit gefallen".

"De facto brauchten sie uns ja am Dienstag" und "auch für kommende Zweidrittelmehrheiten", sagte Schwerdtner etwa mit Blick auf eine Reform der Schuldenbremse. So müsse die CDU begreifen, "dass sie an uns nicht mehr vorbeikommt". Demokratische Parteien müssten kooperieren können.

Mit der Linken gilt bei der CDU eigentlich ein Beschluss, der eine Zusammenarbeit ausschließt. Dieser war bei einem CDU-Parteitag 2018 gefasst worden. Für dessen Abschaffung hatte sich am Mittwoch auch Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) offen gezeigt.

Kritik an Bundesregierung und Kampfansage an AfD

Trotz des Gesprächsangebots war der Parteitag von scharfer Kritik an der künftigen Regierung bestimmt. Zum Abschluss des Treffens warnte Ko-Parteichef Jan van Aken am Samstag vor einer "abgehobenen" Politik von Kanzler Friedrich Merz (CDU) für Reiche. Merz sei ein Millionär und habe sich nun noch mehr Millionäre in sein "Gruselkabinett" geholt, "um Politik für Millionäre zu machen".

Fraktionschef Sören Pellmann nannte den Koalitionsvertrag ein "Dokument der Ignoranz, der Einfallslosigkeit und der sozialen Kälte". Zugleich rief er die Partei auf, den Osten nicht den Nazis zu überlassen. Die Linke sei "das Bollwerk gegen den Rechtsextremismus im Land und im Parlament".

Schwerdtner betonte, man wolle Wähler von der AfD zurückgewinnen. Die AfD sei "sehr stark geworden" unter Arbeiterinnen und Arbeitern. Doch: "Wir sind die Arbeiterpartei, wir vertreten Eure Interessen," sagte Schwerdtner.

Begonnen hatte der zweite Tag mit einem Grußwort des Chemnitzer Oberbürgermeisters Sven Schulze. Der SPD-Politiker betonte da Gemeinsamkeiten: Der Feind stehe nicht links, sondern woanders.

Bundestagsmandate auf zwölf Jahre begrenzt

Bereits am Freitag beschlossen die Delegierten in einem Leitantrag eine Mandatszeitbegrenzung für Bundestagsabgeordnete auf zwölf Jahre. Keine Mehrheit fand der Vorschlag, die Zeit auf zwei Wahlperioden zu verkürzen.

Linke will "organisierende Klassenpartei" sein

Der Leitantrag mit dem Titel "Wir sind die Hoffnung" fand die große Mehrheit der mehr als 500 Delegierten. Das Papier steckt den Rahmen ab, wie sich die Linke in den nächsten Jahren aufstellen und viele neue Mitglieder einbinden will. Die Linke versteht sich laut Antrag als "organisierende Klassenpartei". Bis zum Jahr 2027 soll auch ein neues Programm entstehen.

Die Spitzenkandidaten der Partei Die Linke Jan van Aken (l), Bundesvorsitzender, und Heidi Reichinnek, stehen auf der Bühne vor Beginn der Veranstaltung zum Endspurt im Wahlkampf . 4 min
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Jubel über Erfolg bei Bundestagswahl

Nachdem es für die Linke in Umfragen vor der Bundestagswahl noch nach einem Kampf um den Verbleib im Parlament ausgesehen hatte, legte sie stark zu, holte 8,8 Prozent der Stimmen und zog mit 64 Abgeordneten wieder in den Bundestag ein, dabei auch mit sechs Direktmandaten.

Entsprechend groß war am Freitag der Jubel zu Beginn des Bundesparteitags. Mit viel Applaus wurden die Partei- und Fraktionschefs Ines Schwerdtner und Jan van Aken sowie Heidi Reichinnek und Sören Pellmann begrüßt.

Kritik an Aufrüstung und Kapitalismus

Kritik übten die Delegierten auf dem Parteitag an Aufrüstung und Militarisierung, an der neuen Bundesregierung und am Kapitalismus. "Ja, wir wollen ein Wirtschaftssystem abschaffen, in dem die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer", sagte Reichinnek.

AFP/dpa/MDR (smk, ksc)

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 09. Mai 2025 | 08:08 Uhr

40 Kommentare

MDR-Team vor 18 Stunden

Die Frage, ob Enteignungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind, ist durchaus berechtigt. Tatsächlich schützt das Grundgesetz in Artikel 14 das Eigentum, erlaubt aber unter bestimmten Bedingungen auch Enteignungen. Diese sind nur zulässig, wenn sie dem Wohl der Allgemeinheit dienen, gesetzlich geregelt sind und eine angemessene Entschädigung vorgesehen ist. In der Praxis ist das ein sehr hoher rechtlicher und politischer Aufwand, der nur selten zur Anwendung kommt – etwa bei großen Infrastrukturprojekten wie Autobahnen oder Bahntrassen.

Nun bitten wir zum eigentlichen Thema zurückzukommen. Vielen Dank.

Bernd_wb vor 19 Stunden

wenn ich Menschen enteignen will bin ich in Linie mit dem GG? Abenteuerliche These. Übrigens auch ich habe Aktien nicht weil ich gern Kapitalist bin sondern als Altersversorge denn die geldgeilen Politiker gönnen Rentnern nicht das schwarze unterm Fingernagel.

MDR-Team vor 22 Stunden

Sie haben völlig recht – das Grundgesetz (GG) schreibt keine bestimmte Wirtschaftsordnung wie den Kapitalismus fest. Es schützt weder den Kapitalismus noch verbietet es Alternativen wie Gemeinwirtschaft, Genossenschaften oder Sozialisierungen. Entscheidend ist, dass sie mit den Grundrechten und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar ist, die Menschenwürde gewahrt bleibt und das Allgemeinwohl im Blick ist.

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